Als Alkoholiker sicher durch die Weihnachtszeit kommen
- NICHOLAS
- 19. Dez. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 26. Dez. 2024

Für mich war Weihnachten in meiner aktiven Zeit als Alkoholiker ein wahrer Freibrief: Jeden Tag Alkohol trinken – weil eh jeder trinkt. Hier schnell eine Flasche Wein, dort ein Bier, und damit der Stoff richtig wirkt, gleich noch einen Turbo in den Punsch oder Glühwein.
Der Dezember gehört mit den Adventsonntagen, Weihnachten und Silvester zu den dichtesten Monaten im Jahr, was Festivitäten angeht. Wer dazu noch arbeitet, mehrere Freundeskreise hat oder aus einer Patchwork-Familie stammt, kann jeden Anlass mehrfach feiern. Darüber hinaus bekomme ich häufig am Ende von Projekten, Urlauben oder eben Jahren eine Form von Torschlusspanik und agiere etwas kopflos, was wiederum dazu führt, den Blick aufs Wesentliche – nämlich meine Trockenheit – zu verlieren. Dieser Zustand kann schnell zu einem Ausrutscher führen. Entschleunigung und Gelassenheit sind angesagt. Und dies ausgerechnet in einer Zeit, die zur Besinnung führen soll?
Natürlich lädt die Atmosphäre gleich doppelt zum nächsten Rückfall ein: Weihnachtsbeleuchtungen, Dekorationen, der Geruch von Süßspeisen und Alkohol liegt in der Luft und die Menschen, denen man begegnet, reden ständig davon. Die ganze Stadt ist mit Triggern überflutet. In weiterer Folge sage ich mir Sätze wie „Nur bis Silvester und dann höre ich wieder auf“ oder „Ich will Teil der „schönsten“ Zeit des Jahres sein“, die gefährliche Fallen sind. Nicht alles glauben, was ich denke, steht bei mir gerade hoch im Kurs.
Die Kombination des omnipräsenten kollektiven Berauschens und einer gewissen Kopflosigkeit ist allein schon eine toxische Mischung. Als wäre dies nicht genug, kommen natürlich noch soziale Dynamiken hinzu, denen wir uns mit Freunden, Familie oder Arbeitskollegen aussetzen. Alte Schemata und Muster graben sich an die Oberfläche und wenn ich nicht gut aufpasse, rutsche ich aus. Eine gute Planung meiner Aktivitäten ist angesagt: Ich überlege mir schon im Vorfeld, mit wem ich reden möchte, wo potenziell gefährliche Situationen entstehen können und welchen Personen ich lieber aus dem Weg gehe. Eine gute Exit-Strategie ist ebenfalls sinnvoll, sollten alle Stricke reißen.
Wie schon erwähnt, überkommt mich am Ende von Zeiträumen häufig eine Torschlusspanik. „Verflucht, ich bin immer noch Single. Ich muss mir jetzt in den übrigen Tagen des Jahres eine Freundin suchen“ oder „Mein Arbeitszimmer ist nicht fertig eingerichtet. Ich muss mir schnell die fehlenden Gegenstände bestellen“. Um für Ruhe und Klarheit zu sorgen, stelle ich mir dann Fragen, die wie folgt lauten: War das Jahr ein Erfolg? Habe ich genug geleistet? Was war gut bzw. schlecht? Wenn ich mir die Antworten nicht gebe, herrscht Ungewissheit, und ich stolpere leicht in die genannten gedanklichen Abwärtsspiralen und habe die weniger erfolgreichen Projekte im Kopf. Mit einer Bilanz nehme ich den negativen Gedanken die Grundlage, da ich die Gewissheit habe, ein gutes Jahr hinter mir zu haben. Und was nicht so gut lief, mache ich 2025 einfach besser!
Zusammenfassend nun folgende Tipps für die Weihnachtszeit:
In Achtsamkeit üben: Es ruhig angehen und bei sich bleiben. Nur weil andere von der Weihnachtszeit gehypt sind, muss ich es nicht auch sein. Vielleicht mit den Atemübungen weitermachen oder neue Meditationstechniken erlernen?
Festivitäten ausreichend planen und eine Exit-Strategie festlegen.
Denk es zu Ende: Wohin hat mich mein letztes Glas geführt? Ein Getränk ist den erneuten Leidensweg sicher nicht wert!
Alkohol-Triggern entgeht man schwer im Dezember, daher ist jetzt die perfekte Zeit, einen guten Umgang mit ihnen zu finden.
Eine umfangreiche Bilanz des endenden Jahres erstellen: Was lief gut/schlecht? Was nehme ich ins neue Jahr mit/was lass ich sein? Welche Menschen tun mir gut/schlecht? …
Entspannen: Statt zum Weihnachtsmarkt vielleicht einfach in die Therme fahren oder an einer Wanderung teilnehmen?
Dieser Blog dient als Anregung und Inspiration für Menschen, die ein Alkoholproblem haben und informiert allgemein - auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen und persönlicher Erfahrung - über die Krankheit. Er ist kein substitut für professionelle therapeutische oder medizinische Hilfe. Wenn Du ein akutes Problem hast oder professionelle Hilfe benötigst, dann wende Dich an einer der dafür vorgesehenen Einrichtungen.
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